Entscheidungen bewusst treffen – Wieso eigentlich?

Habt ihr Euch schon mal überlegt warum ihr zum Beispiel die berühmte lila Schokolade kauft oder die quadratisch praktisch gute und nicht die vernünftige Variante Obst wählt?

Neurologisch gesehen, treffen wir bis zu 20 000 Entscheidungen am Tag. Das reicht von un-bewussten Entscheidung mit welchem Fuß wir aufstehen, welche Hand zum Glas greift, wel-ches Frühstück wir essen, ob wir uns übers Haarstreifen, bis zu bewusste Entscheidungen, wann wir essen, wann wir uns mit wem treffen oder welche Aufgabe wir zuerst erledigen wollen.

Die meisten Entscheidungen laufen unbewusst ab und beruhen auf bereits gemachte Erfah-rungen, die implizit davon ausgehen, dass die Zukunft ziemlich ähnlich dem ist, was wir bisher erlebt haben und wofür unsere Entscheidungen uns auch gut geholfen haben.

Ein ganz einfaches Beispiel: Wir wissen, wann wir üblicherweise Hunger haben, oder wann wir müde sind und entsprechend denken wir nicht groß über die Planung unserer Mahlzeiten und Schlafenszeiten nach. Andere Entscheidungen sind völlig irrelevant, und wir können froh sein, wenn diese automatisch ablaufen, sonst kämen wir mit unseren Aufgaben ja kaum noch hinter-her. Wen interessiert es wirklich ob man das Wasserglas mit der linken oder rechten Hand greift? Wozu also Energie für solche Entscheidungen aufbringen, um sie bewusst zu treffen?


Unser Gehirn arbeitet vorwiegend unbewusst. Es ist nach wie vor unklar, ob und wenn ja, wo das Bewusstsein im Gehirn lokalisiert werden kann.

Klar ist, dass es ein Unbewusstes gibt und das viele unserer Handlungen und damit auch Entscheidungen unbewusst vorbereitet werden.

Die unbewusste Vorbereitung unseres Handelns beruht auf langjährig gewachsenen und im Gehirn repräsentierten Vorstellungen. Diese zeigen sich in neuronalen Netzwerken.


Wann sollten wir Energie auf bewusste Entscheidungsprozesse aufbringen?

Woran erkennen wir dann, wann wir unser Entscheidungsverhalten reflektieren und unsere Entscheidungen „bewusst“ treffen sollten? Wir sollten unsere Entscheidungen immer dann hinterfragen,

  • wenn wir mit unseren intuitiven Entscheidungen unzufrieden sind.
    Ganz einfaches Beispiel dafür: wir fühlen uns unausgeglichen, weil wir im Alltag nicht genug Sport einbauen, oder möchten einfach mehr schlafen, oder haben das Gefühl wie im Hamsterrad durch den Alltag zu rasen, ohne weiterzukommen. Vielleicht liegt es an unserem Zeitmanagement, vielleicht haben sich ungünstige Gewohnheiten einge-schlichen, vielleicht signalisiert uns unser Körper, dass etwas in unserem Leben nicht stimmt, vielleicht merken, wir, dass wir weitreichende Entscheidungen in unserer Ver-gangenheit getroffen haben, die eigentlich tief in uns nicht zu uns passen.
  • wenn wir uns in einer Zwickmühle befinden. Wollen wir wirklich mit dem Rauchen auf-hören? Wollen wir wirklich den Job wechseln? Wollen wir wirklich aufs Land/in die Stadt ziehen? Wollen wir wirklich heiraten?

Einige Dilemma-Situationen lösen sich von selbst auf, wenn uns das Problem genauer anschau-en, und z.B. die wirklich wichtigen Kriterien erkennen. In anderen Dilemma-Situationen ent-scheiden wir uns bewusst für eine Alternative und nutzen dann den Vorteil, nicht „ledig-lich“ dem Bauch oder dem Kopf gefolgt zu sein, sondern beide in Einklang gebracht zu haben.


Teilweise können wir unser Unbewusstes steuern, nicht kontrollieren:

Durch bewusstes Anschauen von Kriterien, Verständnis für das, was in uns auch unbewusst passiert, durch Ziele, durch Fokussieren auf das Wesentliche und vieles mehr.

Wichtig für eine Einschätzung ist: Unser Unbewusstes hat eine andere Sprache als unser „logisches Bewusstsein“. Es ist bildhaft, assoziativ, bezieht sich u.U,. auf Persönlichkeitsanteile und kommt nur fragmentarisch in unser Bewusstsein.

Nur die evolutionär „jüngste“ Schicht unseres Gehirns denkt „logisch“ und egal, wie wir uns selbst wahrnehmen: Wir sind alle Kopf- und Bauchmenschen.


Woran erkenne ich, dass eine Entscheidung gut ist?

Die Frage nach dem „wieso“ oder „wozu“ Entscheidungen bewusst treffen, ist damit schon fast beantwortet. Einher geht damit eine sehr grundlegende weitere Frage: Wann ist eine Entschei-dung eine gute Entscheidung? Individuell kann man sicherlich davon ausgehen, dass eine gute Entscheidung sich dadurch auszeichnet, dass wir mit ihr im Nachhinein nicht hadern, die uns emotional stabil oder glücklich sein lässt, die zur Situation, zu den Men-schen“irgendwie“ passt und „irgendwie“ stimmig ist und zu der wir auch dann stehen können, wenn alles schief geht, weil wir wissen, wir hätten nicht besser gekonnt. In Arbeitskontexten geht es zusätzlich zu unserem Wohlbefinden auch darum, dass die Entscheidungen, wirt-schaftlichen Erfolg bringen, den Arbeitsablauf gut gestalten usw. usw.

Die meisten Entscheidungen treffen wir ja nicht nur für uns alleine, sondern sie haben einen Einfluss und auch Konsequenzen für andere, mit denen wir zusammenarbeiten. Doch fokussie-ren wir erst Mal Entscheidungen, die uns selbst betreffen. Daher kommen doch noch weitere Fragen hinzu: Wie lange halten wir eine Entscheidung für gut? Gibt es Prinzipien, die uns hel-fen eine gute Entscheidung zu treffen?


Unser Gehirn ist natürlich mit vielen anderen „Zentren“ in unserem Körper eng vernetzt und das Zusammenspielr ist sehr komplex.

Wenn „Bauch“,“Herz“ und „Kopf“ gleichermaßen glücklich mit einer Entscheidung sind, dann empfin-den wir das als „stimmig“ oder „flow“ oder „einfach nur gut.

Das ist nur nicht immer zu 100% der Fall und oft bringen wir für eine langfristige Entscheidung „ Kopf“ und „Bauch“ in Balance.

Bei bewussten Entscheidungen für einen gesunden Lebensstil z.B., gehört oft dazu „den inneren Schwei-nehund“ zu überwinden. Das tun wir, weil wir ein höheres Ziel verfolgen.

Und auch in Teams ist es häufig so, dass nicht alle drei Ebenen bei allen zu 100% glücklich sind – und dennoch kann man gute Entscheidungen treffen.


Welche Prinzipien helfen uns bei der Entscheidungsfindung?

Die Psychologen Tversky und Kahnemann haben in vielen Studien herausgefunden, dass der Mensch häufig keine vernunftorientierten oder gar ökonomischen sinnvollen Entscheidungen trifft, sondern dass andere Wirkmechanismen zum Tragen kommen. Kahnemanns berühmtes Buch „schnelles Denken, langsames Denken“ fasst ausführlich die Prozesse intuitiver und kont-ra-intuitiver Entscheidungsprozesse zusammen.

Automatisch oder „aus dem Bauch heraus“ Entscheidungen zu treffen, kann zu unserem Vorteil sein, uns effizient und routiniert arbeiten lassen. Wir entscheiden z.B. häufig aus dem Bauch heraus, ob uns Menschen sympathisch sind oder nicht, wie wir unseren Arbeitsablauf organi-sieren, welche Informationen wir wann, wo suchen. In vielen Fällen hilft uns unsere Intuition schnelle und zutreffende Entscheidungen zu treffen, allerdings unter bestimmten Vorrausset-zungen: Nämlich, dass wir schon über einen ausreichenden Erfahrungsschatz verfügen und die in diesem schnellen System zum Tragen kommenden Heuristiken, passen. Heuristiken sind vereinfachte Erkenntnisprozesse, die komplexe und komplizierte Berechnungen durch ein sehr einfaches Prinzip ersetzen. Heuristiken können Teil unserer Intuition sein, sind aber nicht iden-tisch mit Intuition.


Wenn Intuition unser automatisiertes, bewährtes Erfahrungs-wissen ist, dann gehören nur leider auch auch Vorurteile oder „schlechte“ Angewohnheiten dazu, die vielleicht nur einer Seite von uns gut tun, aber anderen Seiten eventuell nicht. Wer z.B. mit dem Rauchen aufhören möchte, muss andere „Automa-tismen“ überwinden, als jemand mit schlechten Erfahrungen bei Veränderungen. Dieser fühlt sich in einem Change-Prozess vor neue Aufgaben gestell, vielleicht nur anfänglich unsicher. Bei „Stereotypen“ und „Vorurteilen“ ist es im ersten Schritt nötig, sich dieser erst Mal bewusst zu werden, um dann einen Umgang damit zu finden.


Das „langsame Denken“, und damit auch das bewusste Entscheiden sollte also dann ange-wandt werden

  • wenn unsere Intuition nicht ausreicht.

Das kann der Fall sein für eine neue Situation, wie ein Umzug in eine neues Land sein oder aber auch einfach nur ein neues Textprogramm oder wenn wir insgesamt etwas Neues lernen. Es ist gut möglich, dass wir nach einiger Zeit dann unsere Intuition geschult haben, und nur noch pflegen müssen, wie z.B. Piloten es tun. Das kann aber auch dann der Fall sein, wenn wir weitreichende Entscheidungen treffen, die auch mit anderen abzustimmen sind.

  • wenn ein Entscheidungsprozess ansteht und wir die Variablen nicht einschätzen kön-nen. Das kann der Fall sein wie ein Haus zu bauen, Berufs- oder Studienwahl, oder aber auch die Entscheidung für eine neue Organisationskultur, neue Arbeitsformen.

Langsames Denken verbraucht sehr viel Ener-gie. Unser Gehirn zieht daher vor, möglichst wenige „bewusste Entscheidungen“ zu treffen und möglichst selten „kontra-intuitiv“ zu den-ken.

„Filter“ für unser bewusstes Denken haben den Nutzen, dass wir möglichst energiearm gut le-ben können. Aber es sind „Filter, die, wenn-gleich für viele Situationen, nicht für alle Situati-onen passen.

Dazu kommt, dass unser Gehirn versucht, aus fragmentarischen Informationen einen Sinnzu-sammenhang herzustellen. Dies kennt man aus vielen Tests zu optischen Täuschungen.

Das alles zusammen erhöht das Risiko von kog-nitiven Verzerrungen.


Wie kann man Entscheidungsprozesse weniger fehleranfällig machen?

Es ist zwar bedauerlich, aber wir haben dennoch keine Garantie dafür, dass unsere Schätzun-gen eintreffen werden. Wir können nur unser Bestes geben. Wir können auf die Zukunft wet-ten mit unseren Entscheidungen und auch die Wahrscheinlichkeiten erhöhen, dass die Wette gut ausgeht, aber gewährleisten – leider nicht. Das, was wir tun können ist: Lernen.

Wenn Heuristiken bevorzugt unbewusst zum Tragen kommen, muss das laut dem Psycholo-gen und Risikoforscher Gigerenzer nicht unbedingt so bleiben. Laut ihm kommt es bei Ent-scheidungen unter Unsicherheit vor allem darauf an, robuste Entscheidungen zu treffen und Heuristiken bewusst auszuwählen. Was machen wir in Situationen, in denen wir nicht alle In-formationen haben können? Welche Möglichkeiten haben wir und wann sollten wir uns dafür entscheiden, komplizierte Berechnungen durchzuführen oder eher einfachen Heuristiken zu folgen?

Gigerenzer zeigt an vielen Beispielen auf, dass auch mit vielen Daten und komplizierten Berech-nungen nicht gewährleistet ist, eine richtige Entscheidung zu treffen. Es macht seiner Meinung nach Sinn, vor allem in unstabilen Situation, mit vielen Unbekannten und wenigen Daten einfa-che Heuristiken anzuwenden – allerdings bewusst ausgewählte und nicht aus dem Bauch her-aus. In stabilen Situationen, mit vielen Daten und wenigen Unbekannten hält er Berechnungen nach wie vor für sinnvoll. Doch in instabilen Situationen empfiehlt er die Konzentration auf das Wesentliche. (https://www.youtube.com/watch?v=Iia0kTMZBGM)

Was bedeutet das für unsere individuellen Entscheidungsprozesse?

All das gibt natürlich Raum für viele verschiedene weitere Fragen, die uns einer Klärung und Vorbereitung für eine zufriedenstellende Entscheidung schon näher bringen können:

  • Was macht uns wirklich zufrieden?
  • Was ist eigentlich das Ziel unserer Entscheidung?
  • Was können wir tun, um unsere Intuition zu schulen?
  • Was brauchen wir, um mutig eine ungewisse Zukunft auszuhalten?
  • Welche Informationen fehlen uns denn? Und wieviele brauchen wir wirklich, um sinn-voll eine Entscheidung zu treffen, die uns zufrieden macht?

Gerade Persönlichkeiten, die am liebsten alle Informationen haben wollen, bevor sie eine Ent-scheidung treffen, könnten dies als Einladung verstehen, sich im Motto „Weniger ist mehr“ zu üben um auf ein „good ist good enough“ hinzuarbeiten. Andererseits gibt es Menschen, die sich sehr schnell mit dem erst Besten zufrieden geben. Diese könnten all dies als Einladung verstehen, sich mit dem zu beschäftigen, was sie wirklich zufrieden macht. Der Psychologe Barry Schwarz spricht von Maximisern und Satisficern. „ https://scottbarrykaufman.com/podcast/maximizing-satisficing-and-the-paradox-of-choice-with-barry-schwartz/

Denn hinter Allem steht ja die wundervolle Möglichkeit: wir haben Wahl - und Einflussmöglich-keiten. Nur zu viel oder zu wenig davon machen uns eher unzufrieden …oder am Arbeitsplatz ineffizient. Und mit diesen Gedanken mental im Rucksack können uns viele Tools helfen, unser Ziel zu erreichen.