Internationale & interkulturelle Kommunikation


Brauchen wir “kulturelle Intelligenz“?

Nie zuvor stand es Menschen so sehr offen, sich untereinander über Ländergrenzen hinweg auszutauschen. Das Internet bietet zahllose Möglichkeiten gemeinsame Interessen zu pflegen, im Prinzip können wir an die entlegensten Flecken der Erde reisen, um uns einzigartige Naturschauspiele anzusehen und ebenso begegnen wir in unserem eigenen Umfeld Menschen, denen wir mit unseren Gepflogenheiten neue Eindrücke verschaffen. Auch die Sprachbarrieren sind als Hinderungsgrund zur Verständigung deutlich zurückgegangen: Auf den meisten Plattformen der sozialen Medien wird eine – mehr oder weniger gute – Übersetzungsmöglichkeit angeboten. Diese gilt nicht nur für geschriebene Texte, auch Videos oder Sprachnachrichten lassen sich mit ein wenig Übung und der Hilfe moderner Techniken einigermaßen gut übersetzen.


Man könnte denken, dass all dies uns doch inzwischen sehr geübt macht und das Verständnis und die Sensibilität für andere Kulturen deutlich erhöht hat. Muss man sich also trotzdem um eine „kulturelle Intelligenz“ bemühen?

Zumindest für den beruflichen Bereich möchte ich diese Frage eindeutig mit „Ja“ beantworten. Dafür gibt es mindestens 3 gute Gründe:

  1. Eine hohe interkulturelle Kompetenz ist eine wichtige soziale Kompetenz. Sie ermöglicht einen reflektierten, guten und effizienten Umgang mit unterschiedlichen Kund:innen, Kolleg:innen oder Mitarbeiter:innen. Es gibt nahezu kein berufliches Betätigungsfeld, das keinen internationalen Bezug hat. Auf der Höhe der Zeit zu bleiben ist daher an dieser Stelle genauso relevant, wie die aktuellen Entwicklungen des eigenen Fachbereiches zu kennen.
  2. Wer selbstverständlich mit Kolleg:innen oder Expert:innen im internationalen Austausch sein kann, ist in der Lage den eigenen Horizont zu erweitern und Innovationen kennenzulernen. Häufig ergeben sich im eigenen beruflichen Umfeld Opportunitäten, für deren Entdeckung eine konstruktive und (welt-)offene Haltung Voraussetzung ist.
  3. Diversität fördert den Erfolg von Unternehmen. Daher wird inzwischen verstärkt ein Augenmerk gelegt auf die Besetzung diverser Teams, in denen kultureller Hintergrund eine mögliche Dimension darstellt. Um in diversen Teams erfolgreich zu arbeiten braucht man die richtigen Skills und die Sensibilität für etwas, das „anders als Ich“ ist.

Was unterscheidet internationale und interkulturelle Kommunikation?

Auf den ersten Blick ist die Unterscheidung zwischen internationaler und interkultureller Kommunikation möglicherweise Haarspalterei, insbesondere, wenn sich „Kultur“ und „Nation“ decken. Bei näherer Betrachtung aber werden die Feinheiten deutlich.

Es ist durchaus so, dass Menschen aus den gleichen oder einem ähnlichen bzw. verwandten Kulturkreis kommen können und sich in ihrer Art und Weise zu kommunizieren sehr ähnlich sind, diese jedoch durch Ländergrenzen getrennt sind. So sprechen wir z.B. häufig von einem „westlichen Kulturkreis“ und nehmen wie selbstverständlich an, dass diesem – oft nicht detaillierter definierten – Kulturkreis gleiche Werte, Einstellungen und Handlungs- sowie Denkweisen vertreten sind. Für den Moment definieren wir beispielsweise einmal Nord- und Westeuropa als den „westlichen Kulturkreis“. Sofort ist den meisten von uns klar, dass es unter dieser Oberfläche Unterschiede gibt, die die Interaktion beeinflussen. Selbst zwischen den Ländern, in denen eine gemeinsame Sprache gesprochen wird (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz) und die Verständigung auf persönlicher Ebene gut funktioniert, gibt es Besonderheiten und Eigenheiten.

Unter internationaler Kommunikation versteht man dementsprechend vereinfacht die Interaktion zwischen Menschen aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen. Diese Interaktion bietet viel Spielraum für Missverständnisse und Konflikte, nicht nur auf verbaler Ebene über Sprache, sondern auch auf nonverbaler Ebene über Mimik, Gestik und Körpersprache.

Schon gewusst?

Eine der frühesten Formen schriftlicher Kommunikation waren „Piktogramme“. Sie bildeten zunächst konkrete Gegenstände oder Lebewesen aus der eigenen Lebensrealität ab („Ideogram“), entwickelten sich dann weiter zu abstrakteren Formen (Buchstaben & Schrift), denen eine Bedeutung und ein gemeinsames Verständnis des Inhaltes zugewiesen wurden. Nach wie findet diese abstrakte Bildsprache eine verbreitete Anwendung als Ergänzung oder gar Ersatz für Schriftsprache, da ihre Botschaften meist über Sprachgrenzen hinaus verständlich sind und eine effektivere, unmissverständliche Kommunikation ermöglicht (z.B. Verkehrszeichen oder Gefahrensymbole).

Was bestimmt, wie wir wahrnehmen und kommunizieren?

Für die Betrachtung kultureller Unterschiede wurden im Laufe der Zeit verschiedene Modelle entwickelt, die eine Einordnung und Annäherung ermöglichen sollen.

Das wohl bekannteste Modell basiert auf einer Studie des Kulturwissenschaftlers Geert Hofstede, die dieser Ende der 1960er Jahre durchführte.

Er unterscheidet 4 Hauptkulturdimensionen, die unseren Blick auf die Welt und unsere Interaktion beeinflussen:

  1. Machtdistanz: In unterschiedlichen Kulturen oder Gesellschaften herrscht ein unterschiedliches Verständnis davon, inwieweit ungleiche Machtverhältnisse akzeptiert oder eingefordert werden. Ist die Machtdistanz hoch, werden Entscheidungen „von oben“ nicht hinterfragt. Ist die Machtdistanz niedrig, wird eine Beteiligung aller am Entscheidungsprozess eingefordert.
  2. Individualismus bzw. Kollektivismus: Ein hoher Individualismus stellt die Interessen der Einzelnen und deren Selbstverwirklichung in den Vordergrund. Kollektivistisch orientierte Gruppen stellen das Wohl der Gemeinschaft in den Vordergrund und ordnen dies den Interessen der Einzelnen unter.
  3. Maskulinität bzw. Feminität: Hier geht es vor allem um die Frage der (stereotypen) Aufgaben- und Rollenverteilung innerhalb der Gesellschaft. Ist diese eher ausgeglichen und kooperativ auf gleiche Verteilung von Verantwortung ausgerichtet oder gibt es eine einseitig hohe Leistungs- und Durchsetzungserwartung? (Ja, das Modell ist aus den Sechzigern…!)
  4. Unsicherheitsvermeidung: Dem Umgang mit unsicheren oder unbekannten Situationen kann unterschiedlich begegnet werden. Eine hohe Unsicherheitsvermeidung führt in der Regel zu einer „Überregulierung“, in der Gesetze und Vorgaben für jede erdenkliche Situation existieren und Fehler häufig sanktioniert werden. Im Gegensatz dazu ist die Sorge um Gesundheit und Geld bei einer geringen Unsicherheitsvermeidung geringer. Unbekannte Situationen werden leichter akzeptiert und ihr Auftreten ist weniger angstbesetzt. 

    Ergänzend wurden dem ursprünglichen Modell in späteren Jahren noch 2 Dimensionen hinzugefügt:
  5. Langzeit- bzw. Kurzzeitorientierung: Der Fokus auf langfristige Lösungen oder kurzfristigen Erfolg beeinflusst auch die Gestaltung persönlicher und geschäftlicher Beziehungen und Netzwerke.
  6. Genuss bzw. Beschränkung: Genussorientierung stellt das Ausleben (individuellen) Ausdrucks in den Vordergrund, Beschränkung ist stark kontrollorientiert und gesamtgesellschaftlich auf den Erhalt von Werten und Regeln ausgerichtet.

Ein weiteres Modell unterscheidet zwischen den Dimensionen „high context“ bzw. starkem Kontext und „low context“ bzw. schwachem Kontext. Das Modell geht zurück auf den Anthropologen Edward T. Hall Ende der 1950er Jahre.

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie hoch der Kontextbezug innerhalb der Kommunikation sein muss, um Information zu gewinnen und zu verarbeiten. Ein starker Kontextbezug setzt voraus, dass alle an der Kommunikation beteiligten die vorherrschenden Codizes beherrschen, also z.B. nonverbale Signale wie Körpersprache oder Gesichtsausdruck verstanden werden. Für Außenstehende bedeutet dies eine hohe Hürde, in diese Gruppe vorzudringen und ihre Regeln und Werte zu verstehen.

Dementsprechend werden die Dinge bei einem geringen Kontextbezug direkt beim Namen genannt. Die Kommunikation ist direkter und formeller. Auf Menschen, die aus einem starken Kontextbezug kommen, wirkt diese Art der Kommunikation oft unhöflich und oberflächlich.

Warum sind Kommunikationsmodelle wichtig?

  • Kommunikationsmodelle versuchen, zwischenmenschliche Kommunikation zu verstehe und, (be)greifbar zu machen
  • Sie helfen, die bewussten und unbewussten Botschaften, Absichten, Vorgänge zu übersetzen (z.B. verbale und nonverbale Kommunikation)
  • Das (bessere) Verstehen von Kommunikation hilft bei einem besseren Austausch mit anderen, z.B. in Konfliktsituationen
  • Ihr grundlegendes Verständnis kann das Miteinander und die Zusammenarbeit im Privat- und Berufsleben verbessern

Was ist dran an Vorurteilen und Stereotypen?

Beim Lesen der oberen Abschnitte hat der eine oder die andere sicherlich gedacht: „Ja, das kenne ich. Das klingt typisch Deutsch. Und dies habe ich auch bei meinem Geschäftsbesuch in Russland und dem Urlaub in Japan beobachtet.“ Ist denn nicht etwas dran an diesen Beobachtungen, dass Menschen in bestimmten Ländern oder Kulturkreisen für uns auffällige Eigenschaften, Verhaltensweisen und Kommunikationsrituale pflegen? Nun, die o.g. Modelle zeigen zumindest auf, inwiefern wir uns von anderen unterscheiden. Oder anders gesagt, welche Vielfalt an Verhaltens- und Interpretationsmöglichkeiten es gibt. Stereotype helfen uns im Alltag dabei, die Vielfältigkeit der Welt zu vereinfachen und zu schematisieren. Sie sagen dabei im Grunde mehr über uns selbst aus als über „die Anderen“, denn die Betrachtung geht von der eigenen Perspektive aus in Abgrenzung zu dem, was außerhalb der eigenen Wirklichkeit liegt.

Problematisch wird die Anwendung von Stereotypen vor allem dann, wenn sie Toleranz und Chancengleichheit verhindern. Insbesondere im beruflichen, aber auch im privaten Umfeld ist die Zuschreibung stereotyper Annahmen problematisch, wenn wir dadurch Menschen kategorisieren und sie dadurch anonymisieren. Eine offene Herangehensweise und Neugier eröffnen oft ungeahnte Möglichkeiten, die eigene Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Statt beleidigt zu sein, weil der Kollege nicht pünktlich zum Meeting erschienen ist, kann man auch einmal die Gelassenheit wahrnehmen, mit der dieser seine Arbeit trotz allem gut und zuverlässig abliefert.

Die Fähigkeit, in einem internationalen Umfeld Beziehungen und Vertrauen aufzubauen kann gezielt trainiert werden, setzt Offenheit und den Willen voraus, die eigene kommunikative und soziale Kompetenz zu erhöhen.

Wie entstehen Missverständnisse und wie kann man damit umgehen?

Die grundlegende Voraussetzung, um Missverständnisse zu vermeiden, ist Sensibilität. Sensibilität ist das Wissen darum, dass die eigene Wahrnehmung und Wahrheit nicht allgemein gültig ist und alternativ interpretiert werden kann. Sensibilität schafft auch das Verständnis dafür, dass Herkunft, Sozialisation und Bildung individuell und unterschiedlich sind und die Interaktion mit anderen beeinflussen. Ein gutes interkulturelles Training kann helfen, die eigene Position zu bestimmen und sich der Unterschiede und Handlungsoptionen bewusst zu werden.

Auch das Wissen darum, wie vielfältig die Dimensionen sind, die unsere Wahrnehmung und unser Handeln bestimmen, ist hilfreich, um das eigene Verhalten besser zu navigieren.

Internationale kommunikative Fails

Den allseits bekannten nach oben gestreckten Daumen betrachten die meisten vermutlich als zustimmende Geste. „Alles ok!“ In Australien jedoch bedeutet die Geste, man solle sich lieber aus dem Staub machen. Im mittleren Osten sowie Teilen Afrikas ist es gar eine Beleidigung ähnlich unserem Mittelfinger. Im Mittelalter signalisierte „Thumbs up“ angeblich die Kampfbereitschaft vor einer Schlacht.

Auch einige Automobilhersteller wurden bekannt mit der Wahl unglücklicher Typenbezeichnungen, die zu „PR-Totalschäden“ wurden, da die gewählten Namen im internationalen Zusammenhang unangenehme oder unangemessene Assoziationen weckten.

Zum Schluss noch ein paar praktische Hinweise, wie interkulturelle/internationale Missverständnisse vermieden werden können:

Kommunikativen Rahmen stecken und definieren

Es ist in einem bunt gemischten, diversen und internationalen Team grundsätzlich eine gute Idee, nichts als gegeben vorauszusetzen und als selbstverständlich zu betrachten. Stattdessen sollten Fachbegriffe und spezifische Sprache erklärt und definiert werden. Welche Botschaften meinen was? Wie sieht der gewünschte Umgang miteinander aus und was sollte vermieden werden? Eine gemeinsame Analyse und interaktive Workshops, um einander besser kennenzulernen sind ebenso hilfreich, wie der gezielte persönliche Austausch im Smalltalk bzw. außerhalb des reinen Arbeitsbezuges.

Gemeinsame Sprache schützt nicht vor Missverständnissen

In der Regel wählt man in Unternehmen, die international aufgestellt sind, Englisch als Hauptkommunikationssprache. Daneben existiert häufig die Notwendigkeit, Informationen in einer oder mehreren weiteren Sprachen zur Verfügung zu stellen. Die Verwendung einer gemeinsamen Sprache bedeutet jedoch nicht automatisch, dass alle die gleichen Werte teilen oder gar auf einem vergleichbaren sprachlichen Niveau miteinander kommunizieren. Immer noch hat sich nicht überall herumgesprochen, dass ein Handy auf Englisch ein mobile (device) ist. Auch die Verwendung sprachlicher Bilder und Redewendungen führt in der Übersetzung nicht immer zur Veranschaulichung, sondern häufig zu Missverständnissen oder gar Unverständnis. Idiome sind nicht oder selten international verständlich. Das gilt ebenso für die Verwendung von Bildern und Gesten. Es ist daher sinnvoll, die mit Kommunikation verbundenen Kompetenzen zu trainieren.